Einige neue Bücher über Parks und Gärten, Blumen und Kunst
Von Irene Ferchl
„Wenn aber mein Gesicht / Im hellen Sonnenstrahl und heiterm Frühlingswetter / Der Felder güldnen Schmuck, der Wälder zarte Blätter, / Zumal der Gärten Pracht, der Blumen Glanz erblickt, / Ergötzt, erquickt, belebt, beseelt mich und entzückt / Ein Etwas, das mich selbst mir selber fast entrückt.“ So beschrieb der Barockdichter Barthold Heinrich Brockes die Wirkung des Frühlings auf das menschliche Gemüt – nachzulesen in einer gehaltvollen Anthologie mit Lyrik und Prosa jener Epoche. Fast jeder wird nach dem langen Winter ebenso empfinden und wer einen Garten besitzt, den drängt es nach draußen, endlich wieder in der Erde zu wühlen, zu stutzen, zu säen und zu pflanzen.
Über die Lust an der Gartenarbeit, die sich zur Leidenschaft, ja Sucht steigern kann, ist schon viel geschrieben worden und in jedem Frühjahr kommen weitere Bücher hinzu – aber liest man nicht immer wieder gern die Geschichten von Erfolgen (Zucchiniernte) und Niederlagen (Nacktschnecken), bösen Überraschungen (Bambusblüte) und schönen Erlebnissen? Wie Kochbücher haben auch Gartenbücher in den letzten Jahren einen unglaublichen Boom erlebt und neben Anleitungen zum Rosenschneiden und Anlegen von Kräuterspiralen, Pflanzenenzyklopädien und Bestimmungsbüchern finden sich in den Regalen der Buchhandlungen Romane und großformatige Bildbände über Menschen und ihre Gärten.
Zum Beispiel die von Reginald Arkell zauberhaft beschriebene Lebensgeschichte des Bert Pinnegar, der als junger Gehilfe beginnt und schließlich zum etwas schrulligen Obergärtner mit umfassendem Gartenwissen und nie nachlassender Experimentierfreude aufsteigt, dessen Name „Old Herbaceous“ allenthalben voller Hochachtung genannt wird. Sehr britisch ist dieser 1950 erstmals erschienene Roman, liebevoll und witzig, und man begreift, was Gärtnern mit Philosophie zu tun hat – über den Umweg der Gelassenheit zur Weisheit.
Amüsant sind Ulla Lachauers Begegnungen mit Gärtnern oder Gärtnerinnen, darunter Walter Sittler und sein Wüstengarten in Stuttgart und der Akazienkavalier aus Odessa; die hübscheste Geschichte ist aber die Erinnerung an den fünfjährigen Bruder, der eines Sommers von den älteren Geschwistern angestiftet allabendlich Drops wie Samen vergräbt und morgens zum Frühstück ein „Apfelei“ erntet, ein von seiner Mutter heimlich bereitetes, am Saatort deponiertes Apfelkompott mit hartgekochtem Ei …
Ins Essayistische gleiten manche der Gartengeschichten von Eva Demski, andere erzählen autobiografisch von dem Garten ihrer Mutter oder ihrem eigenen, von berühmten Ehepaaren wie Hermann und Lucie von Pückler-Muskau oder Vita Sackville-West und Harold Nicolson, von Gärten in Kriegszeiten und „Terroristen“ wie Scharbockskraut, Silbertalern oder Riesen-Bärenklau.
Man merkt sofort, ob jemand nur so tut oder wirklich gärtnert: am Bekenntnis, an jedem Kräutlein zu riechen und jedem Hälmchen zu zupfen, am Eingeständnis der Ohnmacht im Umgang mit wuchernden und eingehenden Pflanzen oder dem sentimentalen Entschluss, einen maroden Apfelbaum stehen zu lassen – Susanne Wiborgs in der ZEIT erschienene Kolumnen gibt es jetzt als Bändchen unter dem Titel Gartenzeit.
Das persische Sprichwort „Man muss nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat“ steht als ein Motto über Thomas Vogels neuem Roman, in dem sich Wege und Schicksale einer jungen Journalistin, einer betagten Dame, eines alten Gärtners und einiger anderer Protagonisten kreuzen und wo im Rahmen eines Symposiums über die Bedeutung der Gärten und ihrer Gestaltung in verschiedenen Kulturen reflektiert wird. Die Schauplätze sind außer Paris und Frankfurt die Toskana und Südfrankreich – so dass man die Lektüre am liebsten im Liegestuhl unterm blauen Himmel genießen möchte.
Eher für trübe Tage und einen stabilen Tisch sind die vier großformatigen Foto- und Kunstbände, mit denen man sich ausgiebig betrachtend und lesend beschäftigen kann.
Wirklich prachtvoll sind die Gemalten Gärten, die Bilder von Gärten und Parks durch die Kunstgeschichte zweier Jahrtausende zeigen, von den frühen Wandmalereien aus Rom und Pompeji bis zu Arbeiten von Hundertwasser und Hockney. Vielfach rücken vergrößerte Ausschnitte Details, die man sonst leicht übersehen würde, in den Blick: Wie etwa auf einem Gemälde von Pieter Brueghel im Frühling Beete vorbereitet und bepflanzt werden oder wie Claude Monet seine Rosen und Iris im Einzelnen gemalt hat. Knappe Bildunterschriften begleiten den angenehm lesbaren, dennoch kunstwissenschaftlich und kulturhistorisch fundierten Text und machen den Band zum unverzichtbaren Standardwerk für jede Bibliothek.
Ergänzt wird er durch den Ausstellungskatalog Garten Eden der Kunsthalle Emden, dessen Schwerpunkt auf der zeitgenössischen Kunst mit einigen Rückgriffen auf das frühe 20. Jahrhundert liegt und in dem sich zahlreiche fotografische Arbeiten und wenige Skulpturen finden, gegliedert nach Themen wie „Zäune und Hecken“, „Der Gärtner“, „Locus amoenus“ oder „Der Garten als Labor“. Schon der mit den faszinierenden Tulpen von Luzia Simons geschmückte Umschlag ist ein Hingucker.
Bei den Gärten der Welt lädt der Blick durch den Giardino der Villa La Pietra auf das Panorama von Florenz zum Blättern und man begegnet darin Parks aus aller Welt von St. Petersburg bis Kalifornien, von den Niederlanden bis Marokko und Pakistan. Es geht dem ausgewiesenen englischen Gartenjournalisten George Plumptre immer um die Frage der Restaurierung, das heißt die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, welche inzwischen von verschiedensten Institutionen gefördert wird, während man früher einen Garten eben auch mal zuwachsen und verwildern ließ. Das Kapitel über berühmte Gartengestalter ist eher eine Anregung zum Reisen – dafür sind auch Informationen angehängt – denn für eigene Gartenplanung.
Ebenfalls Hinweise auf zu besichtigende Gärten, diesmal in Frankreich, liefert der opulente Fotoband von Alain Le Toquin, der aber in erster Linie zum Träumen und Schwelgen in der Farbenpracht einlädt – die Kapitel sind entsprechend nach den Mythen benannt, von den Festen der Flora über das Versprechen der Pandora zu den Lehren des Odysseus.
Man kann schwer entscheiden, welches das Lieblingsbuch aus dieser Fülle ist, jedes hat seine eigenen Reize. Vielleicht ist es die über fünfhundert Seiten starke Kulturgeschichte der Botanik, die die englische Gartenexpertin Anna Pavord unter dem Titel Wie die Pflanzen zu ihren Namen kamen vorlegt. Sie hat die lange Geschichte der Naturforscher von Theophrast aus dem 3. Jahrhundert vor Christus bis Carl von Linné im 17. Jahrhundert zusammengetragen, nimmt die Leser mit auf ihre Erkundungen in Alexandria, Konstantinopel, der Renaissance in Italien, dem südamerikanischen Regenwald, zeigt das in den Zeitläuften wechselnde Verhältnis des Menschen zur Natur und den immerwährenden Wunsch nach Benennung, Beschreibung und Systematisierung. Außerdem schreibt sie so spannend und kenntnisreich, dass man, einmal gefangen, nicht mehr aufhören mag. Dazu gibt es im Anhang eine Chronologie und kurze Viten der Protagonisten, und außerdem ist das Buch üppig illustriert, vor allem mit zeitgenössischen Pflanzenabbildungen, deren sensible Zeichnung und Ästhetik es mit den Fotografien aufnehmen kann.
Aber jetzt muss ich in den Garten, es wird Zeit, endlich die Rosen zu schneiden.
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Zum Weiterlesen und Anschauen:
Werner von Koppenfels (Hrsg.), Barocke Gärten der Literatur. Eine europäische Anthologie. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2007. 206 Seiten, 24 Euro
Reginald Arkell, Pinnegars Garten. Roman. Übersetzt von Elsemarie Maletzke. Heinrich & Hahn Verlag, Frankfurt a. M. 2008. 187 Seiten, 18,90 Euro
Ulla Lachauer, Der Akazienkavalier. Von Menschen und Gärten. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2008. 272 Seiten, 19,90 Euro
Eva Demski, Gartengeschichten. Mit Bildern von Michael Sowa. Insel Verlag, Frankfurt a. M. 2009. 237 Seiten, 19,80 Euro
Susanne Wiborg, Gartenzeit. Die besten Kolumnen aus der ZEIT. Kunstmann Verlag, München 2009. 141 Seiten, 14,90 Euro
Thomas Vogel, Der Park, in dem sich Wege kreuzen. Roman. Klöpfer & Meyer Verlag, Tübingen 2009. 200 Seiten, 16,90 Euro
Nils Büttner, Gemalte Gärten. Bilder aus zwei Jahrtausenden. Hirmer Verlag, München 2008. 238 Seiten mit 88 Farbabb., 69 Euro
Nils Ohlsen (Hrsg.), Garten Eden. Der Garten in der Kunst seit 1900. DuMont Buchverlag, Köln 2008. 304 Seiten mit zahlr. Farbabb., 19,95 Euro
George Plumptre, Gärten der Welt. Alte Gärten in neuem Glanz. Übersetzt von Melanie und Bruno Kremer. Kosmos Verlag, Stuttgart 2008. 208 Seiten mit 200 Farbfotos, 34,90 Euro
Alain Le Toquin und Dane McDowell, Gärten zum Träumen. Übersetzt von Ursula Fethke. Knesebeck Verlag, München 2009. 256 Seiten mit 250 Farbfotos, 39,95 Euro
Anna Pavord, Wie die Pflanzen zu ihren Namen kamen. Eine Kulturgeschichte der Botanik. Übersetzt von Hainer Kober. Berlin Verlag, Berlin 2008. 567 Seiten, 39,80 Euro
Irene Ferchl ist seit fünfzehn Jahren Herausgeberin und Redakteurin des Literaturblatts und blickt vom Schreibtisch aus (gelegentlich) auf ein Dutzend Rosen- und vier Rebstöcke. Zuletzt erschien von ihr die Anthologie Auf einem Badesteg. Schriftstellerinnen am See im Aviva Verlag.